DREI FRAGEN AN Pfarrerin Lisa Krengel, Dezernentin für Kirche mit Kindern und Familien der Evangelischen Kirche im Rheinland, zum Volkstrauertag am Sonntag, 17. November 2024, und zur Verantwortung von Eltern und Großeltern, ein „Nie wieder“ an Kinder weiterzugeben.
Frau Krengel, am Volkstrauertag erinnern wir uns an Opfer von Gewalt und Krieg. Wie wichtig ist es, diese Erinnerungskultur aufrechtzuerhalten?
Lisa Krengel: Die Erinnerungskultur ist die Grundlage für ein „Nie wieder“. Es ist auch unsere Verantwortung, dass Kriege nie wieder entstehen. Es gilt, immer wieder an die vielen Millionen Opfer aktueller und vergangener Kriege zu erinnern. Ich weiß: Die Vergangenheit kann ich nicht ändern. Aber ich kann mein Entsetzen, meine Wut und meine Traurigkeit über unseren Umgang mit Streit und Konflikten teilen und darüber sprechen. Schon Paulus, der biblische Friedensexperte, schreibt im Römerbrief: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“ Das nehme ich auf. Und das möchte ich weitergeben.
Wie können wir das weitergeben – vor allem auch in der eigenen Familie?
Krengel: Eine entscheidende Frage ist, wie wir innerhalb der Familie, wie wir mit Kindern über solche Ereignisse sprechen. Für mich sind persönliche Erzählungen wichtig. Viele von uns kennen die Situation: Mama, Papa, Opa oder Oma erzählen Geschichten von früher. Bei uns zu Hause ist das auch heute noch oft der Fall. Wir berichten von der Zeit, als wir Eltern selber Kinder waren. Oder erzählen Geschichten, die wir von unseren eigenen Eltern und Großeltern gehört haben. Unsere Kinder können nicht genug davon kriegen. Oft sind sie ungläubig, was Menschen damals erlebt haben. Die Generation meiner Großeltern hat den Zweiten Weltkrieg erlebt. Mein Großvater hat gerne Geschichten aus dieser Zeit erzählt. Solche persönlichen Geschichten können bei Kindern viel bewirken. Denn es ist etwas anderes, eine Geschichte zu hören, die ein Familienmitglied erlebt hat, als eine Geschichte aus einem Buch. Das ist für die Kinder viel greifbarer, es macht etwas mit ihnen. Und darum geht es: künftige Generationen dafür zu sensibilisieren, dass Kriege, dass Gewalt nie etwas verbessern. Es fängt also oft schon im Kleinen an.
Was meinen Sie mit „im Kleinen“?
Krengel: Friedensbildung fängt im Familienalltag an. Ich glaube, dass es wichtig ist, auch schwierige Themen wie Kriege oder Konflikte zu thematisieren und nicht wegzureden. Das kann bereits die Frage sein, wie wir miteinander umgehen möchten. Denn auch unter Geschwistern fliegen hin und wieder ordentlich die Fetzen. Dann geht es darum, das zu thematisieren – und ein gutes Miteinander vorzuleben. Wir können gemeinsam mit unseren Kindern überlegen, wie es anders gehen kann. Da sehe ich uns Eltern und Großeltern in der Verantwortung.