Unter dem Leitwort der Barmherzigkeit stand der besondere Gottesdienst, in dem Ulrich Schreyer, ordinierter Prädikant, selbst die Predigt hielt. „Seid barmherzig wie auch euer Vater barmherzig ist“, heißt es in der aktuellen Jahreslosung aus dem Lukasevangelium. Das Wort von der Barmherzigkeit scheine kaum in die heutige Zeit zu passen, so Prediger Ulrich Schreyer, nicht zur Härte des Berufslebens oder der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung. Mit Barmherzigkeit baue Gott eine Brücke zu den Menschen, die aufgefordert seinen, diese Haltung in die Welt weiterzutragen, sich selbst und Anderen Fehler zu verzeihen, einander mit warmem statt mit kaltem Blick zu begegnen.
Mehr Barmherzigkeit und Achtung vor dem Nächsten mahnte Schreyer mit Blick auf das politische Leben in der Stadt, nun mit neuen Mehrheitsverhältnissen, an. „Statt gemeinsam an Lösungen zu arbeite, gebe es viel Zwist, viel Hader und viel Warten auf die Fehler der jeweils anderen. „Geben wir uns doch allen eine Chance miteinander, warten wir nicht auf die Fehler des anderen, sondern bügeln wir die Defizite, über die wir uns zu erheben versucht sind, gemeinsam aus.“ Diesen Appell formulierte der scheidende Diakoniewerk-Geschäftsführer mit Blick auf eine Stadt, in der Risse der sozialen Spaltung für jeden sichtbar seien.
„Ein langer Weg ist gegangen“, blickte Ulrich Schreyer auf 35 Jahre Dienst für die Evangelische Kirche zurück, begonnen als Sozialsekretär des Kirchenkreises An der Ruhr und seit 25 Jahren als Geschäftsführer des Mülheimer Diakoniewerks Arbeit & Kultur gGmbH. Eine Zeit, in der sich die Gesellschaft bedeutend säkularer orientiert habe und Pragmatiker die Rolle der Kirche oft nur in den sozialen Diensten sähen. Doch „unter Barmherzigkeit ist noch mehr zu verstehen“, betonte Schreyer in seiner Predigt. Barmherzigkeit realisiere sich dann, wenn „Kopf und Herz bereit seien für neue Wege und andere Antworten. Auch die Kirche müsse dazu „die bequemen Ränge verlassen und dahin gehen, wo die alltäglichen Sorgen der Menschen sind, wo Menschen gebückt gehen und nichts mehr erwarten – doch dann stehen wir nicht im Scheinwerferlicht.“ Mit den Worten von Alt-Präses Peter Beier schloss Ulrich Schreyer seine letzte Predigt im hauptamtlichen Dienst der Kirche: „Wer Gottes Wort gehört hat (…), ist Mund der Stummen, Hand der Gelähmten und bekennt zum Schluss: So bin ich gewesen, ein schlechter Knecht.“
Gemeinsam mit dem ausscheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden Fabian Grimpe entpflichtete Superintendent Gerald Hillebrand Ulrich Schreyer von seinen Ämtern. Superintendent Hillebrand würdigte die langjährige Tätigkeit Ulrich Schreyers, in der er das Diakoniewerk Arbeit & Kultur zu einer wichtigen sozialen Einrichtung, geachtet in Kirche und Stadtgesellschaft, aufgebaut hat. Sein Handeln als Mann der Kirche und seine Wurzeln in der Arbeitnehmerbewegung seien immer als prägend erkennbar gewesen – außerdem die Herkunft aus Dortmund „eine gewisse Portion westfälischer Beharrlichkeit war auch notwendig, um Projekte voranzubringen“, erinnerte der Superintendent, der auch die neuen Verantwortungsträgerinnen und -träger im Diakoniewerk herzlich willkommen hieß: Monika Otto und Dominik Schreyer teilen sich künftig die Aufgaben in der Geschäftsführung und Ewelina Machura wird das Diakoniewerk als Prokuristin vertreten.
Der Gottesdienst endete mit prominenter Beteiligung: Oberbürgermeister Marc Buchholz sprach gemeinsam mit Pfarrerin Klaudia Schmalenbach die Fürbitten, im Anschluss folgte ein Grußwort des Mülheimers Bodo Hom-bach, Sozialdemokrat wie Ulrich Schreyer, in den 1990er Jahren Mitglied im Landes-, später auch Bundeskabinett und bis 2012 Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe. Für ihn, so Hombach, war Ulrich Schreyer die „Verkörperung des Wortes ,Sozialsekretär‘“. Sein Respekt für Ulrich Schreyer sei aus dem politischen Streit um die besseren Lösungen erwachsen. Hombach würdigte Ulrich Schreyer als Mann „der auf vielen Wegen unterwegs war, der an den richtigen Fronten kämpfte, der seine Überzeugung nicht vor sich herträgt, sondern lebt, und der Orientierungsmarken hat und setzt.“
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