20 Jahre im Einsatz für Schwangere

Diakonisches Werk

(v.l.) Julia Dobnik (Verwaltung), Diplompädagogin Sabine Boeger, Diplomsozialpädagogin Karin Jaesch-Kötter und Diplompädagogin Diana Seeger-Linde, stellvertretende Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes.

Das Grundlegende, da sind sich die Fachfrauen einig, hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht verändert: „Alle Familien wollen eine gute Zukunftsperspektive für ihre Kinder.“ Da mögen die Sorgen einer geflüchteten Mutter, die fremd im neuen Land mit anderer Kultur ist, andere sein als jene der gut situierten, berufstätigen Schwangeren – doch sie alle finden bei der Evangelischen Schwangerschaftskonflikt- und Schwangerenberatungsstelle des Diakonischen Werkes kompetente und einfühlsame Ansprechpartnerinnen. Denn deren Motto folgt dem der evangelischen Schwangerenberatung und lautet „Mit der Frau, nicht gegen sie.“ Die individuelle Situation der Ratsuchenden, ihre Wünsche und Bedürfnisse stehen stets im Mittelpunkt – und das seit Eröffnung der Beratungsstelle vor 20 Jahren am 01.07.2001.

Mit zwei Fachberaterinnen, einem kleinen Büro und dem klaren Auftrag der Kreissynode, eine evangelische Stimme in der Schwangerenberatung und vor allem auch in der Schwangerschaftskonfliktberatung der Stadt zu etablieren und Anlaufstelle bei Fragen rund um ungewollte Schwangerschaften zu sein, ging es am 01.07.2001 los. Von Anfang an dabei war Diplompädagogin Sabine Boeger und sie berät bis heute in der Evangelischen Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, die verkürzt schlicht „SKB“ genannt wird. „Kontinuität“ ist da das Stichwort, mit dem die Beraterinnen ihre Arbeit beschreiben. Denn auch Diplom-Sozialpädagogin Karin Jaesch-Kötter ist bereits seit 18 Jahren dabei. Komplettiert wird das SKB-Team durch Diplompädagogin Diana Seeger-Linde, die zugleich stellvertretende Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes ist. Das Verlässliche ist ihnen allen wichtig. „Wir kennen die Frauen, die Familien. Wir sind für sie da, wir sind ansprechbar, wir helfen. Unsere Aufgabe ist ganz klar, die Ressourcen und psychische Widerstandsfähigkeit der von uns Beratenen zu stärken“, erläutert Sabine Boeger. Dass die Frauen das zu schätzen wissen, zeigt sich auch daran, dass sie wiederkommen – teils nach Jahren, mit neuen Fragen in einer neuen Lebenssituation. Wichtiger Bestandteil der Arbeit ist auch die finanzielle Unterstützung der Ratsuchenden und die Vergabe von Mitteln aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“.

Viel hat sich verändert, in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Beispielhaft blickt Sabine Boeger da auf die Gesetzeslage: Waren 2001 neun Paragrafen für die Arbeit relevant, sind es inzwischen 36. Die klassischen Fragen sind geblieben, die alle um den zentralen Punkt kreisen „Schaffe ich das?“ – ob nun finanzielle, organisatorische, familiäre Bedenken dahinterstehen. Doch hinzugekommen sind neue Arbeitsbereiche, wie die Beratung nach §2a vor, während und nach Pränataldiagnostik, die Frühen Hilfen und seit 1. Mai 2014 die Vertrauliche Geburt. Vor allem die Frühen Hilfen sind in der Beratungsstelle ein gut integrierter Arbeitsbereich. Dahinter verbirgt sich das Ziel, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Eltern in Familie und Gesellschaft frühzeitig und nachhaltig zu fördern. „Wir sind sehr nah und sehr früh an den Familien dran“, erläutert Karin Jaesch-Kötter. „Wir beraten selbst, vermitteln bei Bedarf aber auch an weitergehende Unterstützung – direkt hier im Haus und an externe Stellen.“

Eine gute Kooperation gibt es von Anfang an auch mit den anderen Schwangerenberatungsstellen der Stadt – insgesamt sind es fünf in Mülheim. Die grundsätzlichen Arbeitsbereiche sind identisch, doch wurde darauf geachtet, dass jede Beratungsstelle individuelle Schwerpunkte setzt. Für die Einrichtung der Mülheimer Diakonie ist dies unter anderem der Verlust eines ungeborenen oder neugeborenen Kindes. „Jeden Monat trifft sich unser Gesprächskreis für Mütter und Väter, die ihr Kind während der Schwangerschaft, vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben“, sagt Karin Jaesch-Kötter, die die Gruppe „Wenn aus guter Hoffnung tiefe Trauer wird“ leitet und gemeinsam mit einer Pfarrerin des Kirchenkreises initiiert hat.

Weiterer Schwerpunkt sind junge Mütter – und das von Anfang an. „Vor 20 Jahren waren 15 Prozent der bei uns Ratsuchenden minderjährige Teenager“, sagt Sabine Boeger. Inzwischen hat sich das geändert: „Wir haben heute kaum noch minderjährige Schwangere in der Beratung.“ Sabine Boeger verweist da auf die Gruppe „Jung + Schwanger“, die als kontinuierlicher Treffpunkt für diese Zielgruppe ein Alleinstellungsmerkmal ist: „Als die Gruppe vor 20 Jahren startete, lag der Altersschnitt bei 16 bis 21 Jahren; heute sind die Mütter dort 19 bis 24 Jahre alt.“ Die Gruppe ist nur eine von mehreren Angeboten, die das Team unterbreitet. Insgesamt werden so jährlich rund 1.500 Menschen erreicht. Für Birgit Hirsch-Palepu als Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr ist das auch ein Beleg der Bedeutung, die die Arbeit der Fachberaterinnen hat: „Die Evangelische Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte ist für mich ein unverzichtbarer Bestandteil unserer diakonischen Arbeit in Mülheim. Schaut man sich die Zahlen, Daten und Fakten aus den vergangenen 20 Jahre an, zeigt dies eindeutig die Wirksamkeit und die Notwendigkeit des Beratungsangebots.“

Die Gruppe „Jung + Schwanger“ findet seit Beginn in Kooperation mit der Evangelischen Familienbildungsstätte statt. Für Diana Seeger-Linde ist das ein weiteres Beispiel für die gute Kooperation in Mülheim: „Wir verstehen uns als Teil eines aktiven Netzwerkes, um Schwangere, Mütter, Kinder, Familien zu unterstützen. Ein enges Miteinander gibt es auch mit der Evangelischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen sowie mit weiteren externen Akteuren in der Stadt.“ Auch die Schwangerschaftsberatungsstellen in Mülheim haben stets gemeinsame Sache gemacht und kooperieren bei großen Aktionen – vor allem rund um die Prävention.

Für die ersten sechs Monate ab Juli 2001 listet die Statistik 70 Beratungen auf. In 2020 kamen 440 Ratsuchende in die SKB; die Mehrzahl von ihnen (52 %) hatte einen Migrationshintergrund. Damit hat sich ein seit längerem andauernder Trend fortgesetzt. „Die Begleitung von Schwangeren mit Migrationshintergrund hat sich zu einem Schwerpunkt entwickelt“, sagt Karin Jaesch-Kötter. Da wird teils mit Dolmetschern zusammengearbeitet, oftmals kommen die Frauen in Begleitung ihrer Männer – all dies sind Herausforderungen und neue Beratungssituationen, auf die sich die Fachberaterinnen eingestellt haben.

Auch im Corona-Jahr 2020 blieben die Beratungszahlen konstant. Für Sascha Janz, Leiter der „Abteilung Soziale Dienst 1 – Beratung“, zu der die SKB gehört, ist dies eine beachtliche Leistung, die das Engagement des Teams zeigt, für das er herzlich dankt: „Wir im Diakonischen Werk haben in der gesamten Corona-Zeit unsere Beratung aufrechterhalten und waren auch während der Lockdowns für die Ratsuchenden da. Der Bedarf dafür war offenkundig da.“ Die Fachfrauen der SKB haben stets Kontakt zu den von ihnen betreuten Frauen und Familien gehalten, haben angerufen, Briefe mit Kreativ-Ideen verschickt. „Es war ungewohnt, beim ersten Gespräch am Telefon in Kontakt zu kommen; da hat das Persönliche gefehlt“, räumt Karin Jaesch-Kötter ein, betont aber zugleich, dass letztlich durch das Miteinander in dieser herausfordernden Zeit „eine andere Intensität entstanden ist“.

Die gemachten Erfahrungen nimmt das Team mit: „Wir werden die Kontakte per Videokonferenz fortführen“, nennt Sabine Boeger ein Beispiel. „Es ist ein schnelles Medium, das unserer Zeit entspricht. Wir betreuen überwiegend junge Menschen, die damit ganz selbstverständlich umgehen.“ Dennoch freut sich das Team nun wieder mehr zur pre-pandemischen Normalität zurückzukehren, wieder mehr persönliche Begegnungen zu erleben. Denn eben das ist und bleibt der Kern der Arbeit: die Ratsuchenden auf dem Weg zu ihrem Ziel unterstützen, ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen.

  • 1.7.2021
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