Düsseldorf/Pulheim. Präses Dr. Thorsten Latzel hat sich skeptisch zur Vision einer Intelligenz-Explosion durch lernende Maschinen geäußert. „Es ist gut, wenn wir Menschen als Menschen und Maschinen als Maschinen behandeln“, sagte er im Eröffnungsvortrag zum ökumenischen Zukunftstag „Was wird … Mensch?“ am Samstag, 14. September, in der Abtei Brauweiler in Pulheim. „Nein, unser Saugroboter zu Hause braucht keinen Namen.“
In den vergangenen einhundert Jahren habe sich die Zahl der narzisstischen Kränkungen der Menschheit drastisch erhöht, so der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Beispielhaft nannte er die technologische Kränkung („Wir schaffen Maschinen, die wir nicht beherrschen und die uns bestimmen statt wir sie“), die ethische („Es gelingt uns nicht, Menschen als Menschen zu behandeln“), die ökologische („Wir leben wie ein Krebsgeschwür auf Kosten anderer Arten und schaffen es nicht einmal, unseren eigenen Lebensraum zu erhalten“) und eben die digitale mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz.
„Gott wird Mensch“ statt „Maschine wird Mensch“
Die Vorstellung, dass in Zukunft die Maschine immer mehr Mensch wird, sieht Latzel kritisch: „Die Faszination technologischer Utopien verdeckt oft die viel drängenderen Fragen lebensweltlicher KI-Anwendung, etwa von Transparenz, Fairness, Kontrolle von Algorithmen im Alltag. Ich bin zutiefst skeptisch, wenn Maschinen Bewusstsein, Gefühl, gar Seele zugeschrieben wird. Und schon allein die Rede von maschinellem Lernen statt von künstlicher Intelligenz setzt hier einen anderen Akzent.“ Der rheinische Präses hält der Technikgläubigkeit mit „Gott wird Mensch“ die Botschaft von Weihnachten entgegen: „Mit der Freiheit zu lieben, zu leiden, in Beziehung zu sein, aus Gott zu leben und nie fertig zu sein, bekommt unser Menschsein von Gott her seinen Glanz, seine Würde, seine Bestimmung“, sagte er in seinem Vortrag.
Nicht unsere Fähigkeiten sind entscheidend, sondern unsere Freiheiten
Aus dem Satz „Gott wird Mensch“ folgt für Präses Latzel die Konsequenz „Mensch wird Mensch“. „Die Begegnung mit lernenden Maschinen kann positiv dazu beitragen, dass wir uns nicht einseitig über Fähigkeiten definieren, seien sie intellektueller, kreativer oder kognitiver Art. Sondern über Freiheiten, wie wir sie im Lieben, Leiden, in Beziehung, im Hoffen erfahren“, skizzierte er seine Schlussfolgerungen zum Auftakt des Zukunftstages. „Es wäre gut, wenn wir – im Lichte des Evangeliums – Gottes Ebenbild im Angesicht des Menschen neben uns suchen. Und wenn wir dann jeden Mitmenschen auch so behandeln: als Menschen mit unverlierbarer Würde und unverlierbaren Rechten, als Gotteskind.“